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Vipassana als Alleinstellungsmerkmal buddhistischer Meditation
Die Definition von Vipassana Meditation
Die Wirkung von Einsichtsmeditation
Wie Vipassana Meditation geübt wird
Vipassana als Alleinstellungsmerkmal buddhistischer Meditation
Auf dem spirituellen Weg begegnet man den unterschiedlichsten mystischen Traditionen und meditativen Techniken, doch die buddhistische Meditation(spraxis) sticht dabei aus all diesen durch ein ganz besonderes Alleinstellungsmerkmal hervor: ihre radikale Ausrichtung auf die „Beendigung von Kummer und Sorgen“ und der endgültigen Befreiung aus dem Leiden (auf Pali nibbana). Jetzt, hier in diesem Leben!
Doch um endgültige Befreiung zu erlangen braucht es mehr, als nur einen rechten Lebenswandel (sila), den der Buddha anfangs über Askese zu verwirklichen suchte – ohne Erfolg, da er zwar seinen Körper durch das minimalistische Leben von allerlei Begehrlichkeiten befreite, nicht jedoch seinen Geist. Also ging er bei vedischen und upanischadischen Meistern in die Lehre, um die Konzentration des Geistes und dessen Vertiefungen zu erlernen (samadhi). Doch auch diese sehr erhabenen und glückseligen Zustände einer vollkommenen Geistesruhe konnten den Buddha nicht zufriedenstellen. Sobald er aus der meditativen Versenkung zurückkehrte, begannen alte Verstrickungen und Muster wieder zu wirken und das Leiden kehrte zurück. Endgültige Befreiung erlangte „der Erwachte“ (buddha) erst durch Vipassana, der Entstehung eines inneren, intuitiven Wissens (panja) und dem damit verbundenen tiefen Verstehen des Lebens und seiner Gesetzmäßigkeiten (dhamma).
Die Definition von Vipassana Meditation
Vipassana bedeutet Einsicht, „etwas mit Klarblick“ zu sehen, etwas „auf besondere Weise anzusehen“ oder aber auch „in etwas hineinblicken“ oder „etwas zu durchschauen“. Vipassana Meditation (auf Pali vipassana bhavana) beschreibt also eine besondere Form der Innenschau, mit der Absicht, etwas tiefer zu verstehen, zu durchschauen, und über diese radikale Erkenntnis Befreiung zu erlangen. Die buddhistische Einsichtsmeditation ist damit der direkte Weg, das durch Nichtsehen und Unbewusstheit (avijjâ), Verblendung (kilesa) verursachte Leiden (dukkha) zu überwinden. Doch, was sehen wir nun, wenn wir klarblicken und durchschauen?
Die Wirkung von Einsichtsmeditation
Die Antwort ist so unspektakulär wie einfach: wir sehen die Dinge, wie sie tatsächlich sind: ohne Zutun eines Ichs, ohne Filter, ohne Wertung, ohne Benennung und vor allem ohne Absicht, sich in den Dingen verstricken zu wollen. Kurz: wir sehen die drei Daseinsmerkmale (tilakkhaṇa) menschlicher Existenz: die Vergänglichkeit (annicca), die Unzulänglichkeit (auch als Leiden übersetzt, dukkha) und die Bedingtheit oder Nicht-Selbst (anatta) genannt. Wie im vorigen Absatz beschrieben, sehen wir das Leben nicht ganz klar. Unsere Wahrnehmung ist zum Teil nicht bewusst und das, was wir davon wahrnehmen, wird durch „haben wollen“ (Gier) und „nicht haben wollen (Hass) getrübt. Wir sind also verblendet und das führt zu Widerstand mit dem Leben. Das Leiden ist davon eine logische Konsequenz.
Die einzige Konstante im Leben ist Veränderung, oder wie es Heraklit (übrigens ein Zeitgenosse des Buddha) trefflich formulierte: „panta rhei“ – alles fließt! Das Leben ist ein Fluss, ein Prozess, ein ständiger Übergang von geboren werden (entstehen) und wieder vergehen. Nichts im Leben ist also festzuhalten: wie könnte man auch das Wasser, den Wind oder die Wolken festhalten? Und dennoch ist unser Geist ständig damit befasst, Dinge, Meinungen, Gefühle, Menschen und letztlich unser Ich-Konzept festhalten zu wollen. Ein Beispiel: Wenn wir gerade auf Urlaub sind und so richtig entspannt in der Hängematte liegen, will unser Geist keineswegs dieses wunderbare Gefühl aufgeben, trotzdem wird der letzte Urlaubstag nahen und wenn wir dann nicht flexibel im Geist sind und uns vom „behalten wollen“ loslösen können, werden wir automatisch leiden.
Vipassana Meditation bedeutet im Fluss zu leben, im stetigen Wandel entspannt zu fließen – völlig befreit von Festhalten, ohne Fixierung der Phänomene im Außen, ohne Anhaften an den Regungen des Geistes im Innen – absichtsloses Sein oder einfach mittelpunktloses Gewahrsein. Doch, wie kommt man nun in dieses mittelpunktlose Gewahrsein, vor allem dann, wenn der Weg dorthin absichtslos sein soll?
Wie Vipassana Meditation geübt wird
Das Schlüsselwort lautet: Achtsamkeit (sati). Die Einsichtstore öffnen sich dann, wenn der Geist zur Ruhe kommt. Wenn sich der Geist beruhigt, dann verlangsamen sich die Geistesobjekte, also Gedanken, Gefühle und Empfindungen. Diese Entschleunigung lässt uns tiefer in die Zusammenhänge blicken und verstehen, unter welchen Bedingungen Leiden im Geist entsteht und unter welchen Bedingungen Leiden wieder verschwinden wird. Für diese tiefe Einsicht (vipassana) braucht es die Fähigkeit des Geistes, für einen längeren Zeitraum konstant bei einem ausgewählten (Geistes-)Objekt verweilen zu können.
Diese zeitlich kontinuierliche Form von Aufmerksamkeit wird Achtsamkeit genannt, oder anders: Geistesgegenwärtigkeit oder Gewahrsein. Besser verständlich wird die englische Übersetzung von Achtsamkeit als „mindfulness“, also „the full presence of mind“. Im achtsamen Zustand ist der Geist nicht nur völlig gegenwärtig, sondern auch „erhaben“ und verweilt in einer reinen Beobachter-Position. Er verstrickt sich weder mit den wahrgenommenen Phänomenen noch identifiziert er sich mit ihnen: er bleibt in sich selbst gesammelt. Diese gesammelte Perspektive ermöglicht das „durchschauen“ und das „sehen, der Dinge, wie sie sind.“
Welche Übungsfelder Buddha für die Errichtung von Achtsamkeit empfohlen hat, kannst du hier weiterlesen.