Achtsamkeit in der Vipassana Meditation: theoretische Grundlagen

Inhalte:
Theoretische Grundlagen zur Vipassana Meditation
Übungsfeld 1: Achtsamkeit auf den Körper Übungsfeld
Übungsfeld 2: Achtsamkeit auf Gefühlstönungen Übungsfeld
Übungsfeld 3: Achtsamkeit auf den Geist und seine Zustände Übungsfeld
Übungsfeld 4: Achtsamkeit auf die Inhalte des Geistes
Vipassana Meditationstechniken und das satipatthana sutta

Theoretische Grundlagen zur Vipassana Meditation

Die Vipassana Meditation fußt auf zwei geistigen Fähigkeiten: die erste besteht darin, den Geist so zu besänftigen, dass er sich in sich selbst sammeln kann. Ist der Geist ausreichend gesammelt (samma sati), kann als zweite Fähigkeit die Einsichtsmeditation beginnen. Buddha hat in seiner satipatthana sutta Lehrrede jene 4 Übungsfelder beschrieben, durch die „Achtsamkeit vergegenwärtigt“ werden kann. Achtsamkeit ist dabei das Bindeglied zwischen den beiden Schritten: mit zunehmender Achtsamkeit sammelt sich der Geist und durch achtsames „tief blicken“ offenbaren sich emotionale Muster, mentale Gewohnheiten und unheilsame Verstrickungen. Im „nicht-reagieren“ und bloßen „durschauen“ beginnen sich (ganz ohne unser zu-tun) alte Blockaden langsam zu lösen, Leidvolles wird transzendiert und nachhaltige Befreiung setzt ein. Von welchen 4 Übungsfeldern für das Errichten von Achtsamkeit spricht nun Buddha?

Übungsfeld 1: Achtsamkeit auf den Körper

Als Einstieg in die Einsichtsmeditation – und wir erinnern uns: zur Beruhigung des Geistes, empfiehlt der Buddha das Spüren des Körpers (kayanupassana) in all seinen Ausprägungen. Dabei werden diese „Ausprägungen“, also zB die Atmung (anapanasati), die Körperhaltungen (stehen, gehen, liegen, sitzen) aber auch Körperaktivitäten (essen, Zähne putzen, etc.) oder die 4 Elemente, aus denen ein Körper besteht, zum Meditationsobjekt. Körper (kaya) als Objekt der Meditation hat den großen Vorteil, dass er immer verfügbar ist, deutlich zu spüren ist und (im Vergleich zum Geist) sehr langsam „schwingt“ – selbst für den Meditations-Anfänger ist es dadurch einfacher, über längeren Zeitraum zB bei der Atmung zu verweilen. Wie oben beschrieben wird Aufmerksamkeit erst dann zur Achtsamkeit, wenn sie über einen längeren Zeitraum bei einem gewählten Meditationsobjekt bleiben kann. Erst dann beruhigt sich der Geist und kann mit der Einsichtsmeditation beginnen.

Übungsfeld 2: Achtsamkeit auf Gefühlstönungen

Das zweite Übungsfeld in der Vipassana Meditation heißt vedananupassana. Vedana beschreibt den Lustaspekt einer Erfahrung und kann angenehm, neutral oder unangenehm sein. Jede Erfahrung, die wir in Körper und Geist machen, löst eine Gefühlstönung aus, oder anders gesagt: sie enthält eine motivationale Richtung. Erfahrungen, die wir als angenehm wahrnehmen, wollen wir vertiefen und länger auskosten oder sogar festhalten (verliebt sein, zB). Bei Unangenehmen tendieren wir dorthin, sie möglichst schnell loswerden oder gar nicht erst spüren zu wollen (Trennungsschmerz). Neutrale Erfahrungen (Pulsschlag) kriegen wir oftmals gar nicht mit oder aber ignorieren sie.


Vedana ist karmisch bedingt und „färbt“ die Wahrnehmung aller in den Geist einströmenden Sinnesreize (sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen und denken). Das bedeutet, dass wir beim Einsetzen von vedana keine Wahl mehr darüber haben, ob wir etwas als angenehm, neutral oder unangenehm empfinden. Aber mit vedana bekommen „die Dinge, wie sie tatsächlich sind“ (das reine Gewahrsein) eine motivationale Ausrichtung – wir wollen uns darauf zu bewegen oder eben davon weg. Dem verblendeten Geist erscheinen „die Dinge“ dadurch als begehrens- oder ablehnenswert und er beginnt nach ihnen zu greifen.


Für die, im Westen sehr beliebte Vipassana Tradition nach S.N. Goenka stellt insbesondere die „Durchschauung“ von vedana den größten Hebel auf dem Befreiungsweg dar, weshalb sich ihre Meditationstechnik auch genau darauf fokussiert: die bewusst erfahrene Unterscheidung reiner Sinnesreize von den darauffolgenden Lustaspekten und ihrer motivationalen Ausrichtung. Ein Beispiel: unsere Augen liefern uns im reinen Gewahrsein lediglich 2 Informationen, Farben und Formen. Bestimmte Farben und Formen lösen in uns ein erfreutes „ah“ aus, was die Aufmerksamkeit dort länger verweilen lassen möchte. Andere Farben und Formen jedoch lösen in uns ein unangenehmes „aaahh“ aus und wir wollen uns intuitiv davon abwenden. Zum Zeitpunkt von vedana sind die Farben und Formen noch gar nicht interpretiert, als zB Mensch, Frau, attraktive Frau usw., dennoch zieht es unseren Geist bereits hin oder aber davon weg.

Übungsfeld 3: Achtsamkeit auf den Geist und seine Zustände

Diese durch vedana ausgelöste „Regungen im Geist“ werden im dritten Übungsfeld der sattipatthana sutta betrachtet, der sog. cittanupassana. Der Geist (citta) befasst sich mit allen eingehenden äußeren Sinnesreizen, vor allem aber mit seinem eigenen Denken. Er benennt, kategorisiert, vergleicht, erinnert und legt fest, wie mit diesen Sinnesreizen umzugehen ist. Er formt mentale und emotionale Muster und Gewohnheiten, die sich in Form von Geisteszuständen zeigen. Zum Beispiel Lust, Ärger, Verblendung, Zerstreutheit, Starre, Dumpfheit aber eben auch Klarheit oder Achtsamkeit. Cittanupassana bedeutet, sich seiner momentanen Geisteszustände bewusst zu sein und zu durchschauen, unter welchen Bedingungen sie entstehen und wieder vergehen. Durch Vipassana Meditation auf diese Weise können die Impulse, die von unserem Geist ausgehen, aufgedeckt werden und eine tiefe Einsicht in die Mechanismen des Geistes wird dadurch möglich.

Übungsfeld 4: Achtsamkeit auf die Inhalte des Geistes

Der vierte Bereich des Vipassana Übungsweges befasst sich mit den dhammas. Dhammas sind spezifische Eigenschaften und Qualitäten des Geistes, also zB Erwachensfaktoren oder Hindernisse oder andere zentrale Aspekte von Buddhas Lehre, die in der dhammanupassana Übung mehr kontempliert als meditativ erforscht werden. Sie werden also nicht – wie bei den ersten 3 Übungsfeldern – als Meditationsobjekt zur Sammlung des Geistes verwendet, sondern dienen vor allem dem Betrachten dessen, was gerade geschieht, um es auch im Sinne von Buddhas Lehre zu verstehen. Anders formuliert: eine grundlegende Analyse des subjektiven Erlebens, mit dem Ziel, das Ich-Gefühl als Ursache von Anhaften und Begehren zu erkennen und seine vergängliche (annicca) und leere (anatta) Natur tief zu durchschauen.

Vipassana Meditationstechniken und das satipatthana sutta

Die Lehrrede des Buddha über die 4 Übungsfelder zum Errichten von Achtsamkeit gilt zweifellos als die theoretische Grundlage, aus der sich unterschiedliche Vipassana Traditionen und Meditationstechniken entwickelt haben. Aus der satipatthana sutta lassen sich über 40 unterschiedliche Meditationsobjekte für das Errichten von Achtsamkeit ablesen – nicht alle sind einfach zu verstehen (zB die 4 Elemente als Meditationsobjekt), andere wiederum sind für den westlichen Menschen nicht gerade einfach zu realisieren (Meditation der Vergänglichkeit auf einem Leichenfeld). So ist es verständlich, dass sich die meisten Vipassana-Lehrer bestimmte Meditationsobjekte bzw. konkrete Übungsfelder für das Errichten von Achtsamkeit als Schwerpunkt setzen. Obwohl Buddha die satipatthana Übung als eine klar strukturierte und aufeinander aufbauende Meditationsanleitung verstand, betonen die bekanntesten Vipassana Traditionen jeweils nur ein Übungsfeld in ihrer Praxis und argumentieren dies auch durchaus unterschiedlich. Konkret lassen sich 3 unterschiedliche Schwerpunktsetzungen in den bekanntesten Vipassana-Meditationstechniken feststellen:
1. Die Betonung der Vergänglichkeit (annicca) und das Erforschen dieser am Meditationsobjekt Körper (kayanupassana): bodysweeping nach S.N. Goenka
2. Das tiefe Verstehen der Funktionsweise des Geistes durch das achtsame Erkennen von Geisteszuständen (cittanupassana) und spezifischer Eigenschaften und Qualitäten des Geistes (dhammanupassana): labelling nach Mahasi Saydaw
3. Die vollumfängliche Meditationsumsetzung Buddhas satipatthana Anleitung mit Körperachtsamkeit (kayanupassana), „darauf aufbauend“ Achtsamkeit auf Gefühlstönungen (vedananupassana), „darauf aufbauend“ Achtsamkeit auf den Geist (cittanupassana) und „darauf aufbauend“ Achtsamkeit auf heilsame und unheilsame Geistesqualitäten (dhammanupassana), wie sie in Deutschland zB. von Adriaan van Wagensveld und in Österreich von Dr. Markus Rimser unterrichtet wird.

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Dr. Markus Rimser
Dr. Markus Rimser war Schüler des vietnamesischen Zen-Meisters Thich Nhat Hanh und ist einer der wenigen Meditationslehrer im deutschsprachigen Raum, die Vipassana Meditation als systematischen Übungsweg auf Basis der vollständigen Satipatthana Sutta (Buddhas Lehr-Rede von den vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit) lehren.

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